Am dritten Wochenende im Oktober traf sich das ehrenamtliche Organisationsteam des Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart zum jährlichen Kick-off. Es galt für die zwei Dutzend Engagierten, die Weichen für die kommende Saison zu stellen. In diesem Jahr fand das zweitägige Treffen allerdings nicht nur unter besonderen Hygiene-Bedingungen, sondern auch mit etwas anderen Themenschwerpunkten als in den vorangegangenen Jahren statt.
Seit vielen Jahren ist es für uns zur Tradition geworden, stets im Herbst ein gemeinsames Wochenende – inklusive Übernachtung – zu verbringen, um einerseits auf die vergangene Saison zurückzublicken und diese intensiv auszuwerten.
Andererseits leiten wir die grundlegenden Planungen für die neue Saison ein. Dabei diskutieren wir unter anderem über das geplante Konzept, die Umsetzung der Veranstaltungen und zeigen Kreativität, wenn es um die Findung eines neuen Mottos geht. Die Geselligkeit durfte dabei natürlich nie zu kurz kommen, denn nach unseren organisatorischen Programmpunkten ging es an das gemeinsame Essen und anschließende Beisammensein. Wie es sich bereits erahnen lässt, fiel der diesjährige Kick-off etwas anders aus: Lange Anfahrten in Fahrgemeinschaften, die Übernachtung und das gemeinsame Kochen sowie Zusammensitzen mussten aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen ersatzlos gestrichen werden. Es gab die Möglichkeit vor Ort unter strengen Abstands- und Hygienebedingungen sowie mit Maske vor Mund und Nase teilzunehmen oder sich online zuzuschalten.
Tag 1 • Samstag
Schwerpunkt des ersten Tages war der Rückblick auf die CSD-Saison 2020. Für den vergangenen CSD unter dem Motto Vielfalt braucht Verstärkung haben wir ein völlig neues Konzept auf die Beine gestellt, um den CSD Stuttgart in Corona-konformer Art und Weise stattfinden lassen zu können, ohne dabei die Gesundheit unserer Besuchenden zu gefährden. Gerade da dieses Mal eben alles anders war als gewohnt, gestaltete sich der Rückblick ganz besonders spannend. Neben der Beleuchtung der finanziellen Aspekte, zogen wir Vergleiche zur "Corona-freien" Saison 2019 und arbeiteten heraus, was uns besonders fehlte. Dabei gab es Licht wie Schatten. Es ging um die fehlende CSD-Polit-Parade als Demonstration durch die Stadt sowie die CSD-Hocketse als Straßenfest. Gesprochen wurde über die Herausforderung, trotz dem Wegfall dieser Großveranstaltungen möglichst viele Menschen für die Belange und Forderungen der Regenbogen-Community zu sensibilisieren. Vermisst wurden insbesondere die direkten Gespräche und der Dialog mit den Menschen sowie das Gemeinschaftsgefühl, dass sich sonst bei einem CSD-Kulturfestival einstellt.
Doch wir konnten auch positive Erkenntnisse aus der etwas anderen CSD-Saison ziehen: Beispielsweise gelang es mit dem CSD-Studio in den 14 Kulturtagen inhaltlich hochwertige "Sendungen" mit spannenden Gästen zu aktuellen LSBTTIQ*-Themen aufzuzeichnen. Die Inhalte sind nachhaltig über das CSD-Festival hinaus verfüg- und nutzbar: auf YouTube sowie Vimeo. Und auch mit anderen innovativen Formaten zeigten wir Flagge: Das Studio mitsamt Pop-up-Store im Stadtkaufhaus "Das Gerber" war realer Anlaufpunkt für viele Menschen. Mit dem zweitägigen Online-Pride aus dem Römerkastell präsentierten wir eine nahezu durchgängige Dauer-Vielfalts-Sendung.
Unzählige Plakate, regenbogenbunte Fahnen, Infostände, die CSD-Kundgebung auf dem Marktplatz und Bodenbeklebungen im öffentlichen Raum sorgten dafür, dass die CSD-Bewegung trotz Corona in der Stadt nicht vergessen wurde.
Selbstverständlich beschäftigte uns Covid-19 nicht nur im Rückblick, denn auch für die kommende Saison kämpfen wir mit großer Unsicherheit was die konkrete Planung eines CSD Stuttgart 2021 angeht. Wir führten eine ausgiebige Diskussion darüber, wie eine mögliche CSD-Organisation mit Corona auf Abstand und samt Hygienemaßnahmen aussehen könnte, um je nach Lage auch wieder im kommenden Jahr flexibel auf die Entwicklungen vorbereitet zu sein. Dabei wurde klar: Auch 2021 ermöglichen wir ganz sicher und mit viel Unterstützung aus der Regenbogen-Community sowie der gesamten Stadtgesellschaft ein sicht- und hörbares Christopher Street Day (CSD)-Kulturfestival.
Tag 2 • Sonntag
Auch am zweiten Tag des Kick-offs ließ uns Corona nicht los, obwohl die Pandemie nicht unsere einzige große Herausforderung darstellt. Wie mittlerweile bei den meisten durchgedrungen sein müsste, wird uns unser hauptamtlicher Geschäftsführer Christoph Michl nach 20 Jahren für die kommenden Saison nicht mehr zur Verfügung stehen (→ Hintergrund). Da bisher bei Chris die Fäden des Vereinslebens und des Festivals zusammenliefen und er Struktur in unser Team gebracht hat, stellte sich nun die Frage, wie wir uns vermehrt selbst organisieren können. Die Überlegungen zu neuen Strukturen im Orgateam nahmen daher auch die meiste Zeit des zweiten Tages ein. Hinzukommt, dass uns durch den Weggang von Chris natürlich auch viel Arbeitskraft und ein hohes Maß an Expertise verloren geht. Folglich mussten wir prüfen, inwiefern wir aus eigenen Kräften die Kapazitäten aufbringen und Aufgaben neu verteilen können, um auch weiterhin ein vielfältiges und bereitgefächertes CSD-Angebot auf die Beine stellen zu können. Zentrale Fragen waren dabei: Wer übernimmt welche Aufgaben, wo holt man sich weitere Expertise ins Team und was vergibt man ggf. auch extern?
Solltet ihr Interesse haben, ein aktiver Teil des Orgateams zu werden, findet ihr in Kürze aktuelle Stellenausschreibungen auf unserer Webseite oder ihr schreibt uns unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Der Kick-Off zur CSD-Saison 2021 bestand aus zwei sehr produktiven Tagen mit wichtigen, zukunftsweisenden Ergebnissen. Doch 2021 bringt so viele Neuerungen und spannende Fragestellungen mit sich, dass wir bestmöglich vorbereitet sein wollen. Somit haben uns die beiden Tage nicht ausgereicht, um alle offenen Fragen anzusprechen und passende Antworten zu finden. Im Laufe des restlichen Jahres werden wir uns als Orgateam noch zu zahlreichen Gelegenheiten – egal ob vor Ort oder virtuell – treffen, um trotz aller Herausforderungen im kommenden Jahr einen CSD auf die Beine zu stellen, wie ihr es vom CSD Stuttgart gewohnt seid. Abgesehen davon steht natürlich noch die Findung des Mottos aus, das wir im Frühjahr 2021 vorstellen wollen.
Der CSD Stuttgart 2021 findet übrigens vom 16. Juli bis 1. August statt. Das Hauptwochenende – bisher mit CSD-Polit-Parade (Demonstration, Samstag) und CSD-Hocketse (Straßenfest, Samstag/Sonntag) ist auf den 31.7. und 1.8. terminiert.
Bleibt gespannt über die Entwicklungen, wir werden euch auf dem Laufenden halten. Am Donnerstag, 26. November 2020 findet beispielsweise eine informelle Mitgliederversammlung statt, bei welcher wir uns intensiv mit den Vereinsmitgliedern über die nächsten Schritte austauschen wollen.